Königin Therese-
Rezension zu Martha Schad:"
Bayerns Königinnen"

veröffentlicht in der Tageszeitung "Die Rheinpfalz" vom 13. Januar 1993
unter Palatina: Blick in die Vergangenheit

Wo Bayerns Königin Therese zur Kirche ging

In der Rhodter Pfarrkirche steht noch heute ihr Sessel an seinem angestammten Platz.- Lebensbilder der vier Wittelsbacher Königinnen als Buch erschienen

Von unserern Redaktionsmitglied Rudolf Joeckle

Die Geschichtsschreibung handelt nach eigenen Regeln. Oft geht sie dabei wunderliche Wege. Ein Beispiel für diese immer wieder unergründliche Art der Vergangenheitsbewältigung liefert die bayerische Geschichte, die, wie es der Historiker Karl Bosl formulierte. "fast zur Gänze patriarchalisch- rnännlich verstanden und gedeutet worden ist". So gibt es über Bayerns Könige, seit Kurfürst Maximilian Joseph am 1. Januar 1806 als Maximilian I. Joseph den Königstitel annahm, zahllose Veröffentlichungen über die vier gekrönten Herrscher, bis zur Absetzung Ludwigs III. als König während der Novemberrevolution 1918.

Bayerns Königinnen dagegen, vier an der Zahl, kamen in der Geschichtsschreibung bislang lediglich als "Fußnoten" vor. Selbst im schreibfreudigen neunzehnten Jahrhundert blieben die Königinnen im Publizistischen Schatten: die angeheirateten Wittelsbacherinnen waren für eine monographische Betrachtung kein Thema. Zu Unrecht, wie es jetzt die Historikerin Martha Schad in ihrem Werk "Bayerns Königinnen" beweist. In diesem fein ausgestatteten, mit vielen Abbildungen, Stammtafeln, Anmerkungen und einem Register ausgerüsteten Buch ( 1992 im Verlag Friedrich Pustet, Regensburg, erschienen), werden die Königinnen als eigenwillige Persönlichkeiten in die Erinnerung gerufen, von deren Schönheit, Klugheit und Güte die Zeitgenossen schwärmten. Jede von ihnen bestimmte die Geschicke Bayerns - die linksrheinische Pfalz eingeschlossen - auf ihre Weise mit. Und alle hatten ein ereignisreiches Leben, dem die Historikerin in vielen bisher unveröffentlichten Briefen und Tagebüchern nachgespürt hat.

Alle vier Königinnen stammten aus führenden Dynastenfamilien Europas oder waren eng verwandt mit ihnen: Caroline, die Gemahlin des ersten Königs von Bayern Max 1. Joseph kam aus dem badischen Herrscherhaus; Ludwig I. ehelichte Therese, eine Wettinerprinzessin; Max IL Joseph heiratete die Hohenzollernprinzessin Marie und Ludwig III. die Habsburgerin Marie Therese.

Das Ergebnis der Nachforschungen sind lesenswerte Einblicke in das private und öffentliche Leben der vier "Landesmütter", wobei die Lebensbeschreibung der Gemahlin von König Ludwig I., Königin Therese, in der Pfalz besonderes Interesse verdient. Ist doch der Name der Königin Therese eng mit der "Villa Ludwigshöhe" verbunden, der ehemaligen Sommerresidenz der Wittelsbacher im 7. Rheinkreis. Die von Akademiedirektor Friedrich von Gärtner im Auftrag Ludwig I. gebaute Vierflügelanlage war als "eine Villa italienischer Art, nur für die schöne Jahreszeit bestimmt, in des Königreichs mildestem Teil" errichtet worden, geräumig genug, um die königliche Familie, den obligaten Hofstaat, die Dienerschaft im Cavalierbau und bis zu 72 Pferde in den Stallungen und Rernisen unterzubringen.

König Ludwig I. und seine Gemahlin Therese besuchten am 6. Juli 1852 den inzwischen beendeten Schloßneubau in der Pfalz zum ersten Mal und dann in der Regel alle zwei Jahre. Das Herrscherpaar hatte seine helle Freude an dem schönen Sitz, von dem August Becker in seinem Buch "Die Pfalz und die Pfälzer" schreibt: "Kein Park umgibt die Villa, nur Waldbäume und die in der Pfalz wildwachsenden Kastanien umrauschen den Schloßhügel". Die Chronisten berichten, daß der König am Sonntag die Stadtkirche in Edenkoben besuchten, seine protestantische Gattin dagegen alle 14 Tage den Gottesdienst in der Pfarrkirche in Rhodt. "Köstliche Teppiche wurden gelegt von der Hofkutsche bis in die Kirche, bis in ihrem Stuhl gegenüber der Kanzel, der herrlich darapiert war und mit weißblau-seidenen Draperien und mit einem halben Dutzend blausammtner Stühle umgeben, dazu ein blausammtner, gepolsterter Sessel, auf dessen Rücklehne das Wort "Therese" geschrieben steht".

Im Winzerdorf Rhodt unter Rietburg, das sich durch sein charakteristisches Ortsbild mit den massiven Wohnäusern aus dem 18. und 19. Jahrhundert besonders auszeichnet, erinnert nicht nur die Theresienstraße - eine der schönsten Dorfstraßen der Pfalz - an Bayerns Königin und ihren frommen Kirchgang; beim Besuch der evangelischen (ehemalig lutherischen) Pfarrkirche, die 1720-22 nach dem Vorbild der Dreifaltigkeitskirche in Speyer errichtet wurde, findet der Besucher, an gleicher Stelle, wie vom Chronisten beschrieben, noch heute den Sessel der Königin Therese vor; er hat seinen angestammten Platz im Herrschaftsstuhl der Rhodter Kirche. Franz Xaver Portenlänger untersucht im "Turrnhahn" (Blätter vom künstlerischen Schaffen und Bauen in der Pfälzischen Landeskirche - Heft 3/4, 1989), den Bau und die Ausstattung der Rhodter Kirche und verweist auf den mit einem T und der Königskrone darüber ausgestatteten Sitz von Königin Therese. In dem Heft ist weiter zu lesen, daß der Sessel und weitere Kirchenstühle für die Begleitung der Königin in der Edenkobener Möbelfabrik Niederhöfer gefertigt worden seien.

Berthold Roland vermerkt in seiner intimen Beschreibung Villa Ludwigshöhe - Ludwig I. und sein Schloß in der Pfalz" (1986 bei Hermann Emig, Amorbach, erschienen), daß Ludwig I. in vierzehn Jahren achtmal zu längerem Aufenthalt auf Schloß "Villa Ludwigshöhe" gewesen ist. Am 26. Oktober 1854 starb die Königin im Alter von 62 Jahren. 44 Jahre ist sie mit Ludwig I. verheiratet gewesen. Die 1792 geborenen Wettinerin war die Tochter des Herzogs Friedrich von Sachsen- Hildburghausen und Charlotte, der Tochter des Großherzogs Karl II von Mecklenburg- Strelitz.

Am Hildburghauser Hof herrschte eine äußerst kunstsinnige Atmosphäre. Das Schloß, in dem die Prinzessin Therese ihre Jugendzeit verbracht hatte, wurde im Zweiten Weltkrieg zerstört und ist in der Zwischenzeit völlig abgetragen worden. Im 1992 entstandenen Stadtmuseum ist eine Dokumentation zur Erinnerung an die Gemahlin des Bayernkönigs Ludwig I mit wenigen Exponaten aus ihrer Kindheit eingerichtet worden; darunter befinden sich beispielsweise die Schuhe, die die achtjährige Therese in der Rolle des Rotkäppchens getragen haben soll.


Martha Schad: "Bayerns Königinnen", 372 Seiten, Leinen-
Verlag Prustet, Regensburg 1992
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Bayerns Königinnen (1806-1918) stammten aus Europas führenden Herrscherhäusern. Die Zeitgenossen schwärmten von ihrer Schönheit, Klugheit und Güte, und alle vier Königsgattinnen bestimmten auf ihre Weise die Geschicke Bayerns mit. In der (männlich dominierten) Geschichtsschreibung fanden sie bislang jedoch kaum Beachtung. Nun legt die Historikerin Martha Schad ein Buch vor, in dem zum erstenmal der ereignisreiche Lebensweg von Bayerns Königinnen geschildert wird. Wir erfahren von ihren Vorlieben und Abneigungen, von ihrer nicht immer einfachen Rolle als Gemahlin und Mutter, von ihrem Auftreten in der Öffentlichkeit, von Schicksalsschlägen, Skandalen und Demütigungen.

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