Niemand wird durch das stattliche Dorf Rhodt unter Rietburg gehen, ohne von einer Eigentümlichkeit angerührt zu werden: von den geschlossenen hölzernen Hoftoren unter hohen steinernen Rundbogen mit dem daneben gesetzten kleineren zweiten Tor, in dem sich der großartige Trimphbogen des Haupttores noch einmal zu einer verengten Rundung auf- und abschwingt.
Die beiden Tore schließen mit der hochgezogenen Tormauer die fränkische Hofanlage zwischen Haupthaus und Nebenbau wehrhaft und festungsgleich ab.
Selten ist ein Tor offen und gewährt Einblick. Hier kann man noch von einer »Straßenfront« sprechen: die Häuser, vielfach aus der Renaissance, öffnen meist giebelseitig, des öfteren aber auch traufseitig zur Straße gestellt, breit und freundlich viele Fenster. Heiter und friedlich leuchtet das Grün der Rebstöcke und wirft seine Schatten auf den lebendig wirkenden Putz der Hausfläche.
Die Tore jedoch sind geschlossen.
So kommt es, daß diese Bauernanwesen mit dem rechteckig abgeschlossenen Hof hinter den hohen Tormauern wie befestigte Häuser wirken: »My home is my castle - Mein Haus ist meine Burg!»
Fast verwunderlich erscheint beim Anblick der Häuser von Rhodt, vor allem der Bauern aus der Renaissance, daß einfache Winzer sich so anspruchsvolle Anwesen geschaffen haben. Doch die Frage enthält schon die Antwort: im 17und 18. Jahrhundert hatten die Rhodter Winzer Dank des Ruhmes ihres Traminers hohe Einnahmen - für ein Fuder »Tramunder« wurden 700 bis 1000 Gulden bezahlt - und manche Inschrift erzählt davon in einer Weinpreischronik. Doch muß man wohl oder übel auch anderswohin schauen als auf die schönen Torbögen; denn auf einen von ihnen hat der Erbauer, ein Küfer, im Jahr 1732 mit grober Deutlichkeit die Beschauer seiner neuerbauten Hofstätte zurechtgewiesen: »Je länger Du mich besiehst, ein größerer Narr Du bist!»
Wie kommt es nun, daß grade das Dorf Rhodt sich in seiner schönen geschlossenen Dorfanlage und dem Gleichmaß der imposanten Tore von den Nachbardörfern. abhebt, so daß es in den »Kunstdenkmälern der Pfalz. als »eines der bemerkenswertesten Dörfer der Pfalz. bezeichnet werden konnte? Die Geschichte gibt uns die Antwort. Rhodt unter Rietburg gehörte nicht zur Pfalz. als diese im Erbfolgekrieg 1689 auf Befehl des Sonnenkönigs dem Erdboden gleichgemacht wurde, sondern war bereits seit 1603 markgräflich baden-durlachischer Besitz: Der Rhodter Wein hatte Einfloß auf die Geschichte des Dorfes genommen. Ihm ist es zu verdanken, daß der Ort über 250 Jahre lang als württembergische Besitzung links des Rheines gehalten wurde: »Der Rhotamer Wein, sonderlich der von lauter Tramunder, so in der Hasenecken gewachsen, übertrifft und hat das Lob vor allem Wein, so an dem itzt erzälten langen Gebirg von Basel bis gein Köln wächst«, so berichtet der Chronist.
Der Tauschvertrag von 1603 zwischen Württemberg und Baden-Durlach besagt: Markgraf Ernst Friedrich gab Herzog Friedrich I. von Württemberg die Orte Liebenzell und Altensteig und erhielt dafür in der Hauptsache den Flecken Rhodt unter Rietburg. Bis zum Jahr 1801 blieb Rhode unter dieser baden-durlachischer Herrschaft. Nach einem französischen Interregnum kam es 1816 zu Bayern. König Ludwig I. von Bayern baute 1852 die Sommerresidenz Schloß Ludwigshöhe unterhalb der Ruine Rietburg auf Rhodter Grund und Boden. Freilich mußte die bebaute Gewanne auf Wunsch des bayerischen Monarchen zuvor an die Stadt Edenkoben abgetreten werden. Die Ludwigs- und die Theresienstraße erinnern noch an das Königspaar, und in der Kirche von Rhodt steht der Sessel der Königin Therese mit der Krone und der Initialie »T«, silbergestickt. Die Königin, eine geborene Prinzessin von Sachsen-Hildburghausen, war evangelisch und besuchte bei ihrer Anwesenheit auf dem Schloß den sonntäglichen Gottesdienst in der Rhodter Kirche. Die Kirche selbst stammt aus der badischen Zeit; das sehr schön erhaltene Wappen über der Kirchentür erinnert daran.
Ornamentierte Kellerlöcher
Das typische pfälzische Winzerhaus ist in Rhodt noch vielfach unversehrt anzutreffen, obwohl natürlich auch hier gegen manchen Unverstand anzukämpfen ist.
Niemand hat dieses herrschaftliche, stolze und dennoch auch wieder bescheiden wirkende Pfälzer Winzerhaus genauer geschildert als Wilhelm Heinrich Riedt. In seinem »Rheinischen Volksbild Die Pfälzer«, 1858 bei Cotta in Stuttgart erschienen, schreibt er:
Die Weindörfer vor der Haardt (= der Ostabhang da Pfälzerwaldes) zeichnen sich aus durch zwei besonders ausgebildete Teile des Hauses: des Holzparterre, als die äußere Folge des hochgewölbten Kellers, und das freie hochgewölbte Hoftor. Der mächtige Keller ist hier mit Fug das halbe Haus. Dem innerlich Bedeutsamsten gibt aber das Volk - wie der echte Künstler - auf nach außen den originellsten Schmuck. Darum hat der Pfälzer Weinbauer seinen Keller da geziert, wo er sozusagen ans Licht tritt - im Kellerloch; er hat sich ein Ornament geschaffen, welches sich vielleicht in der ganzen Welt nicht wiederfindet: ornamentierte Kellerlöcher! Statt eines Ladens wird das Kellerloch durch einen massiven steinernen Schieber verschlossen; selten ist dieser schmucklos: Kreuze, Rosetten, Blumen, Kreise, Sterne, Vielecke etc, sind im Hochrelief darauf ausgehauen. Beim ersten Blick begreift man, daß dieser ungewöhnliche Schmuck dennoch kein willkürlicher ist, denn er zeigt uns den Schwerpunkt des Hauses an.
Die gleiche ästhetische Wirkung des Wahren und Notwendigen spricht aus den großen monumentalen Hoftoren des pfälzischen Frucht- und Weinlandes. Diese gewaltigen freien steinernen Rundbogen sind die Triumphpforten da Landmannes, durch welche er mit dem hochbeladenen Erntewagen als Triumphator einzieht. Und wie jeder gern den mächtigst getürmten Wagen heimführen möchte, so hat auch jeder nach dem höchstgewölbten Bogen gestrebt als dem eigentlichen Steindenkmal seines Reichtums.
Die Hochparterre mit den ornamentierten Kellerlöchern und die hochgewölbten schmuckreichen Hoftore stellen uns »Wein und Brot« dar, als den Grundsatz dieser Weindörfer.
Es gibt fast kein Haus, an denen Fenster nicht einige wohlgepflegte Blumenstöcke prangen. In manchen reichen Haardtdörfern sieht man auf der Straße eine förmliche Ausstellung von Raritäten und Prachtstücken der Topfblumenzucht. Ein Antiquar könnte diese schöne, örtlich originale Sitte hoch hinauf leiten bis zur römischen Grundlage pfälzischer Kultur und pfälzischer Dorf- und Stadtsiedlung; denn bekanntlich galten Blumen für eine besonders nationale Zierde der römischen Häuser und namentlich den Fenstern seines Hauses wußte der alte Römer kein besseres Ornament als Blumenstöcke.
In den Höfen der reichen Bauernhäuser sieht man wohl auch Taxusbäume noch immer nach dem Grundsatz der ars topiaria sauber zugeschnitten, Kugelakazien, symmetrisch im Pflaster aufgepflanzt und kugelrunde Orangenbäume in Reih und Glied dazwischen gestellt, Riesenkürbisse zum Schmuck der Hofmauer und wohlgepflegte Hauswurz als Krone der steinernen Pfeiler des Hoftors. Lustige Zierde ist der Weinstock; .in vine vita, in Reben blüht das Leben. Dieser alte Spruch sollte dem Pfälzer als Hausspruch beifallen, wenn er aus dem rcbenumrankcen Fenster auf die Straße schaut oder zur Haustür geht. Hätte das Volk nicht diesen naiven, dämmernden Sinn für Schönheit, wo wäre die Wurzel des Kunstsinnes und der Kunstbegabung der Gebildetee, die dann doch immer nichts weiteres sind als dasselbe, zu hellerem Bewußtsein erwacht?«
Tor und Haus sind zumeist mit einer Hausmarke geschmückt. Mit Vorliebe ist der Torschlußstein in der Mitte des hohen Bogens hierfür ausersehen. Die Hausmarke muß klar und selbstredend sein; darum wählt man verständliche Gewerbezeichen: der Weinbauer die Taube oder zwei gekreuzte Rehmesser, der Küfer das Faß mit den gekreuzten Wingerthadten, der Bäcker die Brezel, der Metzger das Beil.
Daß Rhodt immer nur von und mit dem Wein gelebt hat, wird besonders daran deutlich, daß in denn Ort Scheunen völlig fehlen. Und wenn die Markgrafschaft Baden-Durlach so wertvolle Tauschobjekte wie die beiden Orte im Nagoldcal, Altensteig und Liebenzell, hergab, um Rhodt in seinen Besitz zu bringen, dann muß der Rhodter Tropfen mit schuld gewesen sein: Ein süßer, schwerer und feuriger Traminer, der dem Ort zu früher Berühmtheit verholfen hat. Uralte knorrige Rebstädte, 200-jährige Veteranen sind zum Teil noch heute vorhanden und tragen Tauben.
An den Häusern bekundet der Sesel das alte Rebmesser der Mittelmeervölker als Wappenzeilen die Verbundenheit mit dem Weinbau. Der Sesel wurde vielfach in den Gemeindewappen und Gerichtssiegel von Weinbaugemeinden verwendet. Und daß der Sesel sogar einmal als Waffe verwendet worden ist, erzählt der Volksmund: in einem Streit zwischen den Rhodt benachbarten Gleisweilerern und Burrweilerern auf der einen und den Roschbachern und Flemlinger auf der anderen Seite, in dem es um Weiderechte ging, spielte der Sesel die ausschlaggebende Rolle, als man mit Worten nicht mehr weitet kam. Bewaffnet trieben die Flemlinger und Roschbacher ihr Vieh gegen den Willen ihrer Widersacher zur Weide. Die Gleisweilerer und Burrweilerer
zogen ihnen, ebenfalls mit dem Segel bewaffnet, entgegen und es kam zu einer förmlichen Schlacht, Mann gegen Mann. Als die Gefallenen begraben waren, setze man eine Säule mit zwei Seseln auf den Schild, wohl um späteren Geshlchtern ins Gedächtnis zurückzurufen, daß das Winzermesser eigentlich nur der friedlichen Kultur des Weinbaue zu dienen hat und nicht dem »Kuhhandel..
Das Schlößchen zu Rhodt
Nahe dem nördlichen Ortsausgang von Rhodt steht, in französischem Stil gebaut, das »Schlößchen«; seine Erbauung ist einer wohlhabenden Pfarrersfamilie zu verdanken. Das Jahr 1780 wird als Baujahr angenommen. 1812 erwarb es der in Straßburg wohnende Kaufmann Karl Heinrich Schattenmann, in Landau geboren und ein angesehener Mann geworden. Er war Direktor der Minen von Buduweiler im Elsaß, Mitglied des Generalau des Niederrheins und des Generalackerbaurats von Frankreich, Präsident der Ackerbau-Kommission und Vizepräsident der Adterbauberatungskammer des Bezirks Zabern, Offizier der Ehrenlegion, Ritter des Ordens vom Zährigcr Löwen und dergleichen mehr: Ein sehr vielseitiger Mann: nicht nur Bergwerks- und Fabrikdirektor und Chemiker, sondern such in der Verwaltung, in kirchlichen Angelegenheiten, im Unterrichtswesen, in der Landwirtschaft und im politischen Leben tätig. Schattenmann besaß in .Buxwiller. das früher dem Grafen von Hanau-Lichtenberg gehörige Schloß, das er teilweise als Chemische Fabrik eingerichtet hatte. (Im heute verwilderten Park von Buxwiller (Elsaß) steht auch noch eine Rebenallee, die, obwohl ungepflegt, voller Tauben hängt.) Aus gräflich-hanauischem Besitz erwarb er den sogenannten .Tiergarten. und machte daraus eine Art Versuchsstation für Landwirtschaft. Justvs Liebig, der große Chemiker, schrieb über Karl Heinrich Schattenmann:
Seiner Beharrlichkeit verdankt man seit 1841 auf dem Gebiete des Straßenhaues die Steinaufschüttung auf den Straßen vermittels der Druckwalze, die schließlich in ganz Frankreich eingeführt wurde. Die Erbauung der Eisenbahn lag ihm ebenso am Herzen wie diejenige des Saarkanals«
Im Jahr 1863 hatte dieser fortschrittliche Mann eine umwälzende Änderung in
seinem Rhodter Weinbergbesrg eingeführt: vom bisherigen Kammertbau mit Längs- und
Querhölzern hat Schattenmann seine Weinberge auf Reihenbau mit einer eisernen Unterstützungsvorrichtung umgestellt. Viele prominente Gäste kehrten bei ihm ein, um die neue Pflanzweise der Reben in Linien, niedrigen Städten, Rahmen und Eisendraht zu studieren (wie sie heute in der Pfalz noch üblich ist).
Im Schlößchen befindet sich die grüße
private Kunstsammlung des Hausbesitzers, Dr. Wilhelm Steigelmann, durch den Besuch der »Straußwirtschaft. (Gutsausschank) allgemein zugänglich.
Die Rietburg - auf vorgeschobener Bergzunge war nach drei Seiten hin für are damalige Zeit uneinnehmbar. Die einzig mögliche Angriffsseite bietet sich von Westen her, wo der Blättersberg noch bis 619 Meter ansteigt.
Die Gegebenheiten dieser Lage bestimmen weitgehend auch die bauliche Form.
Wir müssen oft die architektonischen Lösungen bewundern, welche für die Burgen gefunden wurden.
........ fügt und vorgebaut. Nach Süden schließt sich die kleinere Schutzmauer mit dem Torbau und der davorliegenden Brücke an, welche die Bergzunge vollends abriegelt.
Die obere Hauptburg hinter der Schildmauer ist auf der Südseite durch eine geschützte Treppe zugänglich. Durch die Wachtstube betritt man den kleinen Innenhof, von dem allein aus alle Erdgeschoßräume Zugang haben. An die Mauer angelehnt ist der zweistöckige Palas. Der Brunnen im Innenhof ist heute nicht mehr vorhanden, auch nicht der frühere Schlupfgang etwas nördlich davon.
Unter der auf dem Felsen eng hinter der Schildmauer angebauten Hauptburg schließt sich die nach Süden und Osten etwa 6 bis 10 Meter tiefer liegende weiträumigere Vorburg an. Sie eist von der heute zum Teil mit alten Steinen wieder ergänzten Burgmauer begrenzt und bietet geschützten Platz für Wirtschaftsbauten und Stallungen.
Wegen seiner überragenden Lage mag dieser Platz hier auch schon zur Römerzeit und noch früher Bedeutung gehabt haben. .
Die Gründung der Rietburg durch die Ritter von Riet wird urkundlich um 12oo bezeugt. Von wenig ruhmreicher Erinnerung kündet das Jahr 1255. Es war die Zeit, während der die Macht des Kaisers, der fern in Sizilien weilte, im Verblassen war, als der Neffe des Burggründers, Hermann von Riet, die Gemahlin des Königs Wilhelm von Holland auf ihrem Weg zum Trifels an der Leiselbrücke bei Edesheim überfiel und samt Gefolge gefangen setzen ließ. Ihr Vater, Herzog Ludwig von Bayern, zwang darauf mit Unterstützung der Städte Worms, Oppenheim und Mainz die Burg zur Übergabe. Die Burg wurde Reichsleben, kam durch Kauf Anfang des 14. Jahrhunderts an die Bischöfe von Speyer und erlebte bis zu ihrem Verfall im 3o-jährigen Krieg noch manchen Besitzwechsel. Ein Aufbau erfolgte deshalb nicht mehr, weil ihre Lage an strategischer Bedeutung verloren hatte und der beschwerliche Aufstieg sich nicht mehr mit den gehobenen Ansprüchen vereinbaren ließ.
An den Raub der Königin erinnert vermutlich auch die Sage, welche uns von P. Gärtner in seiner 1854 erschienenen "Geschichte der bayr. rheinpfälzischen Schlösser" erzählt wird
"Es hauste einmal ein Ritter, der einem reichen Herrn seine Tochter raubte, auf ihr. Der Vater bot ihm hohes Lösegeld, und der Räuber willigte wirklich in die Zurückgabe des Mädchens. Der alte Mann brachte nun selbst das Geld zum Schlosse, um sein geliebtes Kind sogleich umarmen zu können. Als aber der Unhold das Geld erhalten hatte und gemahnt ward, die Tochter frei zu geben, rief er höllisch lachend: "Wohlan, ich halte Wort!« Damit stürzte er die herbeigeholte Jungfrau von der hohen Mauer herab vor die Füße ihres alten Vaters, der ohnmächtig auf sein zerschmettertes Kind zusammenbrach. Aber die Strafe blieb nicht aus. Nach seinem Tode mußte er auf der Erde bleiben und nun flackert er oft als Flämmchen um die Trümmer seines Schlosses."